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[…] Die Geräusche und Gerüche der Medina dampfen hinauf über die Dächer der Riads auf die hellen Terrassen. Die Sonne ist morgens schon zu heiß, sie brennt. Und es dampft, überall dampft es. In den Gassen, den dunklen, verwinkelten Hohlräumen, den ausgehöhlten Geschäftslokalen, den vorbeifahrenden Karren, den von Eseln oder Hand gezogenen Karren, überall dampft es, evaporiert das Heiße und Hitzige der Stadt. Ein mittelalterliches Treiben, ein Gestalten hervorbringendes Treiben. Oben, auf den Terrassen der Riads, verdampfen die Gerüche aus den Gassen in der klaren Hitze des frühen Tages. Das Würzige, Kräuterartige, das Gegrillte, Geschmorte, das irgendwie Undefinierbare. (…)

Ich verlasse das Riad und gehe die schmale Gasse entlang, die zu beiden Seiten von Häusern aus rotem Lehm gesäumt wird, bis ich nach wenigen Metern die Rue Zihnoun erreiche. Dort biege ich nach links, komme vorbei an den ersten Händlern. Im zweiten Geschäft entdecke ich eine Messinglampe in Tropfenform mit einem schönen Lochmuster. Ich betrete den Laden oder besser gesagt die wenigen Quadratmeter Fläche, die jeder Händler für seine Ware zur Verfügung hat. Diese Fläche ist nach vorne hin zur Gasse offen, hat weder Tür noch Fenster. Der Händler ist ein junger, einheimischer Mann.

Wie viel kostet sie?, frage ich ihn und nehme die Lampe in die Hand.
400 Dirham, sagt er.
Das ist zu viel, antworte ich.
Wie viel gibst du mir?, fragt der Händler.
Ich habe 100. Die kann ich dir geben.
100 Dirham? Auf keinen Fall, das ist viel zu wenig! 100? Das ist ein Scherz. Er lacht und empört sich über mein Angebot.
Gut, sage ich, dann eben nicht.
Schau dir die Lampe an, das ist Handarbeit. Sie hat eine gute Qualität. Und er nimmt ein Tuch und wischt damit über die bauchig-goldene Tropfenform. Ich gebe sie dir um 350.
Nein, sage ich, um 350 möchte ich sie nicht, das ist zu viel. Ich sehe, dass sich an der Halterung bereits Rost angesetzt hat.
Wie viel gibst du?, fragt er. Mach ein letztes Angebot.
In Ordnung, sage ich, 150 Dirham.
Gut, 300, antwortet er, und du kannst sie haben.
Ich lache und hänge die Lampe an ihren Platz zurück. 300 sind nicht 150, sage ich. Behalt sie.
Meinetwegen, 250, antwortet er, und sie gehört dir.
Das ist noch immer zu viel, ich gebe dir 200, das ist mein letztes Angebot.
230, sagt der Händler, bitteschön, sie gehört dir.
Lassen wir das, wir werden uns nicht einig, sage ich, und verlasse den Laden.

Ich biege wieder auf die Gasse, sehe die Augen der anderen Händler, die mich verfolgen, mich mit stereotypen Floskeln umwerben, die mich dazu animieren wollen, einen Blick auf ihr Sortiment zu werfen. Das Angebot ist in jedem Geschäft das gleiche. Es gibt nicht eines davon, nicht 10, es sind bestimmt 20 Läden, die sich aneinanderreihen und die gleiche Ware anbieten. Exakt die gleiche Handarbeit, die gleichen Einzelstücke, diese Unikate, alle unbezahlbar. Das ist das Prinzip der Souks. Ein Gewirr an Gassen, in denen man sich verirrt wie in einem unruhigen Traum, Souk Semmarine, Souk el Attarine, Souk el Kebir und Cherratin, Souk Smata, Souk des Bijoutiers, Souk Chouari, Souk Haddadine, Souk des Teinturiers. Lampen, Babouches in allen Schattierungen, Schmuck, Teppiche, Gewürze. Heilkräuter und Wundermittel am Rahba Kedima, dazwischen kleine Chamäleons. Und es dampft, überall dampft es, evaporiert das Heiße und Hitzige der Stadt.

Also gut, 200 und du kannst sie haben, um 200 gehört sie dir, höre ich den Händler, der mir auf die Gasse gefolgt ist und nun theatralisch zur Schau stellt, dass er wirklich in die Knie gezwungen wurde, dass das kein gutes Geschäft mehr für ihn ist.

Ich möchte jetzt nicht mehr, sage ich, und gehe weiter, ohne mich umzudrehen. Ich bin sicher, dass ich im nächsten Geschäft dieselbe Lampe finde und hoffe auf einen noch besseren Preis. An dieser Stelle mache ich jedoch einen Fehler. Ich habe einen Preis ausverhandelt und möchte die Ware nun trotzdem nicht kaufen. Die Option, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zurückzukommen und den Verkäufer darauf hinzuweisen, dass wir den Preis bereits verhandelt haben, verfällt dadurch. Das funktioniert nicht. Ich müsste sie gleich kaufen, jetzt, ich müsste auf meinem Preis beharren und den Deal abschließen. Nur so funktioniert es.

Aber ich gehe weiter, sehe beim nächsten Händler wieder eine Messinglampe. Diesmal in der Form eines Fladenbrotes, wie es hier überall verkauft wird. Ich mag sie, das Lochmuster gefällt mir.

Wie viel kostet sie?, frage ich den Verkäufer.
400 Dirham, antwortet dieser wieder, obwohl die Lampe viel größer ist als die vorhergehende.
400? Das ist zu viel, sage ich, ich habe 100. Die kann ich dir geben.
100 Dirham? Auf keinen Fall, das ist viel zu wenig! 100? Das ist ein Scherz.
Und das ganze Spiel beginnt wieder von vorne.

Nach einer Stunde gehe ich ohne Lampe ins Riad zurück.

 

[…] Tote, zerlegte Tiere baumeln vor den Metzgereien wie Vorhänge, die vom Wind bewegt werden. Eine Reihe toter Hühner, frisch geschlachtete Lämmer, dann ein besonders großes Stück, vielleicht das einer Kuh oder eines Kamels. In Taroudannt entdecke ich in den Souks einen Metzger, der abgeschlagene Ziegenköpfe am Tresen aufgereiht hat, vier, fünf Stück. Das Fell der Ziegen ist schwarz, aus einem der Schädel tritt das Innere nach außen. Über diesen Köpfen hängen wieder Fleischteile, womöglich die Reste der Ziegen, womöglich etwas anderes. Wir probieren von allem. Etwas Gegrilltes auf dem Berbermarkt in Taznakht, Fleischspieße in Aït-Ben-Haddou. Der süßliche Geschmack ist eigenartig. Könnte Kamel sein. Nein, sagt der Mann, das ist Rind. Schmeckt aber nicht so, sagen wir. Doch, antwortet er, hier schon. (aus: Marrakesch)

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Marrakesch, Medina, Souks, Djemaa el Fna, Musée Yves Saint Laurent, Jardin Majorelle, Anima-Garten, Bahia-Palast, Saadier-Gräber, La Koutoubia, Mellah, Hoher Atlas, Kasbah von Telouet, Ounila-Tal, Aït-Ben-Haddou, Berbermarkt in Taznakht, Taroudannt, Essaouira, Moulay Bouzerktoun, Sidi Kaouki

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